„Glaubst du noch oder zweifelst du schon?“ – Ökumenischer Studientag 2025 trifft theologischen Nerv


Vierzehnheiligen. Wer ökumenisches Fragen und Nachdenken für langatmig, unengagiert und nicht mehr zeitgemäß hält, konnte am 26.02.2025 beim Ökumenischen Studientag des Erzbistums Bamberg und des Kirchenkreises Bayreuth einen anderen Eindruck gewinnen. Die Frage nach der Verhältnisbestimmung von Glaube und Zweifel in der Welt von heute brachte eine große Zahl katholischer und evangelischer Hauptamtlicher in Seelsorge und Religionsunterricht in die Bildungshäuser Vierzehnheiligen, wo in zwei theologischen Vorträgen und daran anschließenden Arbeitsgruppen ökumenische Fragen diskutiert und nach ihren Auswirkungen auf und ihre Konkretisierung in der pastoralen und schulischen Praxis befragt wurden.
In einem ersten theologischen Vortrag überraschte Prof. Dr. Ralf Frisch von der Evangelischen Hochschule Nürnberg gleich zu Beginn mit inspirierenden Wortneuschöpfungen, sprach so mit Blick auf die aktuelle gesellschaftliche Situation beispielsweise von „Glaubensgeheimnisgefährdung“ und stellte die provokante Frage, ob gegenwärtig möglicherweise der Zweifel eine größere Tugend als der Glaube sei. Sich selbst augenzwinkernd als „katholischen Romantiker“ bezeichnend, brachte er die Sehnsucht nach dem Geheimnis des Glaubens zum Ausdruck, welches er durch eine Vielzahl von „Irrlehren und Häresien“ bedroht beschrieb. Dort wo nach seiner Wahrnehmung Theologie „nur“ noch als Anthropologie verstanden würde, sei die Transzendenz darauf reduziert, ein zwischenmenschliches Geschehen zu sein. Vor diesem Hintergrund argumentierte er dafür, neben der „Horizontalen“ auch die „Vertikale“ von Glauben und Kirche wieder stärker in den Blick zu nehmen.
In ihrem Statement plädierte Prof.in Dr. Johanna Rahner von der Katholischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen für ein weniger stark betontes „Entweder - Oder“ und arbeitete den Zweifel als eine „notwendende Heterotopie“ des Glaubens heraus. Ausgehend von einem theologischen Diskurs in der Deutung der Ergebnisse der aktuellen Kirchenmitgliedschafts-untersuchung (KMU 6) stellte sie unter Rückbindung an die Pastoralkonstitution des 2. Vatikanischen Konzils „Gaudium et spes“ dar, dass ein Rückzug auf einen „heiligen Rest“ oder eine „kleine Herde“ sowohl für die Theologie als auch die pastorale Praxis nach ihrer theologischen Überzeugung undenkbar sei. „Das christliche Profil liegt in der Tätigkeit, Kranke zu pflegen, Geflüchtete aufzunehmen, für Obdachlose zu sorgen. Und zwar in der Orthopraxie dieser Tätigkeiten selbst. War das nicht einmal Konsens in der Theologie?“ gab sie zu bedenken. Die Professorin erklärte, dass Kirche nicht einfach „ist“, sondern dass „sie sich ereignet“, hinterfragte weiterhin die ekklesiologischen Ortsangaben „von Kirche her“ und „auf Kirche hin“, sprach von einer sich „verflüssigenden, fluiden Kirche – liquid church“ und unter Rückgriff auf Papst Franzsikus von „neuen Kontexten“, die „neue Formen“ erforderten und „neue Paradigmen des Glaubens heute“ hervorbrächten.
Angeregt vom stellenweise leidenschaftlichen theologischen Austausch hatten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im zweiten Teil der Veranstaltung ausführlich Zeit, das Gehörte in Kleingruppen zu reflektieren und mit ihrem konkreten Tun in Pastoral und Schule in Beziehung zu bringen. Hierfür wurden in analoger und digitaler Form umfangreiche Begleitmaterialien zur Verfügung gestellt. Eine abschließende Fishbowl-Diskussion machte die ganze Breite der Gedankengänge im Auditorium anschaulich, ging auf zahlreiche ökumenische Aktivitäten ein und gab Gelegenheit zur Nachfrage, Ergänzung und Präzisierung durch die Referentin und den Referenten. „Jetzt ist der heiße Stuhl merklich abgekühlt“ fasste ein Teilnehmer sein Erleben der konstruktiven Schlussrunde zusammen. Ein über Mentimeter eingeholtes Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer brachte anschaulich auf den Punkt, an einer „interessanten, spannenden, energiegeladenen und hoffnungsvollen“ Veranstaltung gemeinsam theologische „Räume durchschritten“ zu haben.