Erzbischof Gössl tauscht sich mit Verantwortlichen der Schulaufsicht im Erzbistum aus:„Beim Religionsunterricht geht’s ums Herz“
Bamberg. Erzbischof Herwig Gössl hat die Bedeutung des Religionsunterrichts für die Gesellschaft und zugleich die Notwendigkeit von Veränderungen betont. Gössl sprach bei einer Begegnung mit Ministerialbeauftragten, Vertreterinnen und Vertretern der Bezirksregierungen, der evangelischen Kirchenkreise und der staatlichen Schulämter im Bereich des Erzbistums Bamberg von einer sich verschärfenden Situation, in der immer weniger Religionslehrkräfte an immer mehr Schulen den Religionsunterricht sicherstellen sollen. „Religionsunterricht hat eine Zukunft, wenn er sich wandelt in seiner Methodik und seiner Didaktik, ohne dass die Inhalte verwässert werden“, sagte Gössl am Mittwoch im Bistumshaus St. Otto. Es müsse ein Augenmerk darauf gerichtet werden, wie religiöse Sprache bei Kindern heute vermittelt werden könne.
Es reiche nicht aus, auf den Verfassungsrang des Religionsunterrichts hinzuweisen. „Eine Verfassung kann geändert werden, wenn die Mehrheit nicht mehr dahinter steht“, sagte Gössl. Es sei aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen unausweichlich, dass die heutige Form des Religionsunterrichts in Frage gestellt werde. Die Notwendigkeit von Veränderungen werde in Bayern unterschiedlich stark wahrgenommen, man gehe in verschiedenen Geschwindigkeiten voran. Der Erzbischof betonte: „Wir wollen festhalten am Prinzip der Konfessionalität, wobei nicht die Konfession der Gruppe, sondern die Konfession der Lehrkraft ausschlaggebend sein soll.“ Für einen religionsübergreifenden Unterricht sehe er keine Perspektive mit Blick auf fundamental unterschiedliche Glaubensgrundsätze etwa in Islam und Christentum.
Im ablaufenden Schuljahr nahmen in Bayern 676.000 Schülerinnen und Schüler am katholischen und 291.000 am evangelischen Religionsunterricht teil. 487.000 besuchten den Ethik-Unterricht. Ordinariatsrat Hans-Dieter Franke, Leiter der Hauptabteilung Schule und Religionsunterricht im Erzbistum, und der Nürnberger Kirchenrat Michael Löhner informierten darüber, dass die Zahl der Schülerinnen und Schüler im evangelischen und katholischen Religionsunterricht in Bayern in den vergangenen sieben Jahren um rund 15 Prozent gesunken ist, während die Zahl der Teilnehmenden am Fach Ethik um etwa 50 Prozent stieg. In Oberfranken erhöhte sich die Zahl der Ethik-Schülerinnen und Schüler sogar um 81 Prozent. In den letzten fünf Jahren ging die Zahl der katholischen Religionslehrkräfte im Erzbistum Bamberg von 295 auf 232 zurück. Aufgrund dieser Entwicklung betonte Franke die gemeinsame Verantwortung von Staat und Kirche und sprach sich für die Weiterentwicklung konfessionell-kooperativer Formen des Religionsunterrichts aus.
In der Ausspracherunde kam die Hoffnung zum Ausdruck, dass der Religionsunterricht wieder mehr Wertschätzung bekommt. Es gehe um mehr als Religionskunde und das Abfragen von Wissen, sagte eine Teilnehmerin und betonte: „Beim Religionsunterricht geht’s ums Herz.“ Und eine andere Teilnehmerin fügte hinzu: „Wenn wir Religion wieder in die Mitte des Lebens holen wollen, müssen wir das Leben in den Religionsunterricht reinlassen.“